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Freie Fahrt für Teisbachs Narretei

Der Tisch da hervorn‘ schaut heuer so ganz anders aus“, bemerkt der Vorstand der Freiwilligen Feuerwehr Thomas Rothlehner mit einem augenzwinkernden Blick auf die Politprominenz in der ersten Reihe. Jeder in der brechendvollen Teisbacher Mehrzweckhalle weiß, was der Gastgeber des InthronisationsBalls meint, und so reckt man die Hälse, um Bürgermeister Grassinger, Alt-Bürgermeister Pellkofer und Landrat Bumeder und deren charmante Begleiterinnen live und in Farbe zu sehen.

Nach der obligatorischen Begrüßung der zahlreichen Ehrengäste und einer ersten Tanzrunde zur Musik von Tonixl hält der Elferrat samt Hofnarr, Garde, Zofen und Präsidium der Narrenhochburg Einzug und der Erste Präsident Markus Steinberger übernimmt die Moderation. Die Blicke aber sind hauptsächlich auf die würdevoll drein schreitenden und lächelnden Regenten gerichtet: Lisa II. (Kolbach) und Patrick I. (Vielhuber). Bevor die Tollitäten ihren Eid ablegen können, verleiht der Präsident noch einmal seiner Freude darüber Ausdruck, dass neben den zahlreichen Ballgästen auch so viele Ehrengäste anwesend sind: Von der Prominenz – auch aus den Nachbarorten und sogar noch von weiter her – über die Geistlichkeit, Jubiläumsprinzenpaare, Sponsoren bis zum Rechtsbeistand sind alle da und natürlich dürfen auch der Schnuff und seine Erna nicht fehlen. Spätestens da spürt man, dass der Teisbacher Fasching mehr ist, als man gemeinhin annehmen könnte: Hier ist die fünfte Jahreszeit ein Gefühl und vor allem ein kraftvoller Ausdruck der generationsübergreifenden Pflege von Traditionen.

Nix mehr Lego-Faschingsumzug oder Livestream – jetzt wird der Fasching wieder zelebriert, so wie es sich gehört und so wie es immer war. Die vermaledeite Pandemie wird erst einmal weggeprostet und dann geht es zur feierlichen Vereidigung des Prinzenpaares. Natürlich in Reimform erfahren die Premierengäste so einiges von der charmanten Prinzessin Lisa II. und ihrem nicht minder charmanten Prinzen Patrick I., die beide schon über jahrelange Faschingserfahrung in der Teisbacher Garde verfügen und im richtigen Leben auch ein Paar sind. Danach wird es ernst für Bürgermeister Grassinger und es geht Schlag auf Schlag (was in diesem Fall nichts mit dem Herrn Stadtrat zu tun hat, der in der ersten Reihe sitzend und lachend zuschaut, wie das Stadtoberhaupt der Kreisstadt abgeführt und auf die Bühne verschleppt wird). Auch wenn der demnächst entmachtete Regent dabei noch ein Schmunzeln im Gesicht hat (was bei der Begleitung kein Wunder ist), spürt man doch, dass das für einen Bürgermeister schon eine ernste Sache sein muss, wenn man Stadtsäckel und Schlüssel für einige Zeit abgeben muss. Nach der überaus launigen Rede in feinster Bütt-Manier merkt man Grassinger die Erleichterung darüber an, dass rechtzeitig zum Fasching die schier nicht enden wollende Umleitungszeit für die Teisbacher zu Ende gegangen ist: „Freie Fahrt für Teisbachs Narretei“ ruft der Bürgermeister aus und stellt die Frage in den Raum, wo denn heuer eigentlich der Prinzensud herkommen würde. Nach seinem souverän gereimten, stadtpolitischen Drohnenflug über den altehrwürdigen Markt, vergisstGrassinger nicht, schon jetzt auf das nächste Großereignis hinzuweisen: 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Teisbach im kommenden Sommer. Wenn einer so viel gute Laune verbreitet und Stadtschlüssel und -säckel bis Aschermittwoch aus der Hand gibt, dann hat er sich einen frischgeprägten Faschingsorden samt Drehbild der Monarchen redlich verdient und auf kann‘s gehen zum nächsten Höhepunkt des Premierenabends: Der mit großer Spannung erwarteten Proklamation.

Neues Proklamatorenteam „Die Faschingshochburg hat sich in diesem Jahr für die Jugend entschieden“, stellt der neue Proklamator Helmut Hein fest, der mit seinen gerade mal 55 Jahren, 72 Monaten und zwei Tagen im allerbesten Mannesalter ist. Die vier Protagonisten auf der Bühne lassen schon nach den ersten Szenen keinen Zweifel am Ernst der Sache und das Publikum sieht sich einer geballten Kompetenz gegenüber: Neben Helmut Hein alias Helmut Slomka, Manfred Bauer alias Herr Stadlbauer und Helmut Harlander alias Herr Harle sorgt der ausgebildete Fax-Spezialist und überaus berufserfahrene Praktikant im Dingolfinger Rathaus Florian Hein dafür, dass auch die letzte Akte vernichtet wird, nachdem sie der sich im Sonnenstuhl räkelnde „Verantwortliche für alles“, Herr Harle, zur Vernichtung freigegeben hat. Die Tagesthemen werden bei Herrn Slomka zu den Narrenthemen umfunktioniert und der Stadtbaumeister Herr Stadlbauer erläutert mit seinem, seit zehn Jahren abgelaufenen Baustellenhelm, dass diese Sache mit der Radlbrücke, in die mehr Beton geflossen ist als ins BMWParkhaus daneben, der Laie gar nicht verstehen könne, wenn es Ernst wird, melden sich aus dem Kontrollraum (über die Videoleinwand eingeblendet) die beiden Dorfältesten: Der Subbe (Georg Mühlbauer) und sein kongenialer Freund, der Done (Anton Heidobler) mit ihren trockenen Kommentaren in reinster Polt-Manier, die im Publikum für Schenkelklopfer und noch viel mehr sorgen. Stadtpolitisch wird kein Thema ausgelassen und schon während der Darbietung von Slomka, Stadlbauer/Zamparoni und Harle fühlt man sich immer auch ein bisserl an das BR-Singspiel auf dem Nockherberg in seinen besten Zeiten erinnert. Derbleckt wird ganz human und weil Deutschland eines von den ganz wenigen Ländern ohne Tempolimit ist, hilft auch in Teisbach nur eins: der nächste Kreisverkehr. Davon gibt es hier ja inzwischen mehr als genug. Vor allem der neueste Kreisl in Richtung Loiching, in dem es einen bei nicht angepasster Geschwindigkeit direkt ins neue Baugebiet schleudert, hat es Helmut Hein dann schließlich auch musikalisch angetan: Herr Harle rappt und tanzt in cooler Sonnenbrille und mit dem Hüftschwung eines 20-Jährigen zum „Kreisverkehr-Ripper“. Zum Schluss der überaus kurzweiligen Proklamation wird es für das entmachtete Stadtoberhaupt Grassinger auf der Bühne dann noch mal ernst: Herr Harle überreicht ihm eine Flasche Uhu und Grassinger muss sich entscheiden, an welche Fassade von welcher (sich im Besitz der Stadt befindlichen) Schrottimmobilie er sich kleben möchte – als Zeichen dafür, dass diese Immobilie als Nächstes einer Sanierung unterzogen wird. Tosender Applaus und lauter lachende Gesichter beenden diesen Teil des Abends und das Publikum vertritt sich bei einer Tanzpause die Beine.

 

 

Nach dem Einmarsch des gesamten Hofstaates erfreut sich das Premierenpublikum am traditionellen Mussinan-Marsch der Garde, choreographiert von Sophia Scheugenpflug und Sabrina Kowaletz und die Verleihung des Teisbacher Traditionsordens an eine schillernde Faschingsgröße steht an: Laudator Günther Wenner bittet Franz Harlander auf die Bühne und Wenners Augen strahlen, als er die zahlreichen Verdienste Harlanders aufzählt: 53 Faschingswägen, zehn Jahre Proklamation, Hofnarr 1977 und 1978 und und und... Dem Harlander Franz ist die Freude anzumerken, auch wenn er sich bescheiden gibt: „I war doch bloß a Maschkera.“ Die Bilder im Hintergrund sprechen aber eine andere Sprache und die Teisbacher wissen schon sehr genau, wie das gemeint ist mit dem Traditionsorden.

 

Orden und Busserl von Prinz und Prinzessin Karneval gibt es danach am laufenden Band, verliehen von der Ersten Vorsitzenden des Landesverbandes, Rosi Götzer, die im sympathischen Oberpfälzisch unter anderem auch das ruhmreiche Steckkreuz in Silber an Andreas Harlander und – sogar zweimal in Gold – an Sam (pssst: Franz!) Messerer und Ossi Sterr verleiht. „Perfect“ ist dann die Darbietung von Prinz und Prinzessin Karneval beim gleichnamigen Lied von Ed Sheeran und in den Stuhlreihen wird beim Prinzenwalzer – choreographiert von Patricia Weinzierl – sanft die Hüfte geschwungen und nach der Liebsten Hand oder Oberschenkel gesucht, bevor der Hofstaat dann die Bühne freigibt und sich das Premierenpublikum auf der Bühne wieder selbst wie ein Prinzenpaar fühlen darf.

 

Mit einer Reise nach Paris geht es unter der launigen Moderation von Ossi Sterr und Sam Messerer rasant weiter. Die eisernen Männer der Freiwilligen Feuerwehr lassen, in nicht ganz jugendfreien, Kostümen die Puppen tanzen und der Dompteur sorgt für das entsprechende Tempo und die Lacher im Publikum.

Die Lacher haben auch die Zwillingsschwestern Christiane Mittermeier und Michaela Reitmayer alias „Deischbeckera Putzfrauen“ seit Jahren abonniert. Begleitet vom Schwimmbeck Schos an der Quetschn hauen sie einen nach dem anderen raus und man erfährt, dass die beiden Reinigungskräfte seit Neuestem nur noch Workshops geben. Staub und Dreck stellen die beiden Deischbeckera und zeigenden Workshop-Teilnehmern dann für 150 Euro, wie sie diesen wieder los werden. Mit dem Lied „In jeder Frau steckt ein Stück Hefe“ erfährt man dann endlich auch, warum so manche Frau ab einem gewissen Alter sich den einen oder anderen Reifen unterm Gewand zulegt (und so mancher Herr natürlich auch).

In der zweiten Robe des Abendsbetritt das Tollitätenpaar in Begleitung des gesamten Hofstaates wieder die Bühne und der erste Showtanz der Garde steht auf dem Programm. „Powerfrauen“ heißt dievon Sophia Scheugenpflug und Sabrina Kowaletz beeindruckend choreographierte – und von Techniker Nico Angerstorfer musikalisch und lichttechnisch fulminant in Szenegesetzte – Showeinlage der Garde, die beim Publikum Jubel aufbranden lässt. Als der Tanz schließlich mit einem Knalleffekt endet, steht die halbe Halle. Am Ende kehrt der Hofnarr den ganzen Glitzer von der Bühne, weil die nächste Runde „Orden und Busserl“ auf dem Programm steht.

Es ist schon weit nach Mitternacht, als das Prinzenpaar mit „Now is the time“ ihr atemberaubendes Können in einem von Carolin Meyer choreographierten Showtanz auf die Bühne zaubert. Der Hofstaat jubelt, die Halle bebt, als die Prinzessin auf des Prinzen Schultern zum Stehen kommt.

Die erhitzten Gemüter kommen dann bei der Einlage des Präsidiums der Narrenhochburg „Wir wollen Großeltern werden“ auf ein etwas ruhigeres Level und es bleibt kein Auge ohne Lachfalte, wenn die Teisbacher Faschingslegende Günter Wenner alias Dr. Wenner die Bühne betritt und darüber klagt, dass er als Arzt einfach ums Verrecken keinen Nachfolger findet und daher nicht in den Ruhestand gehen kann. Da wird dann der Möchtegernschwiegersohn in die Wüste geschickt und mit der Tochter per Tinder ein neuer Schwiegersohn („Marcel, ned Massl“) gesucht – ohne den es ja schließlich keinen Nachwuchs geben kann. 

„Fratelli di birra“ heißt dann die mafiöse, von Susanne Boyund Eva Wilka choreographierte Showeinlage des Elferrates samt aufgepappter Schnurrbärte, italienischen Gassenhauern und ItaloHardrock aus dem letzten GrandPrix. Das rockt, da vibriert das Trommelfell und auch der Hemdkragen.

Noch viel weiter nach Mitternacht ist die Luft in der Halle zum Schneiden und der Verkehr in die Bar und zurück nimmt immer mehrzu, als das große Finale auf der Bühne näher rückt. Mit dem zweiten Showtanz „Der Piratenschatz“ stellt dann die Garde den Temperaturregler in der Halle auf über 100 Grad und alles ist nur noch ein Jubeln und Toben. Sämtliche Mitwirkende versammeln sich schließlich zum großen Showdown auf der Bühne und als Lena-Marie Brandl und Christoph Sterr „Es ist wieder Faschingszeit“ anstimmen, weiß man, dass es in dieser Nacht noch lange nicht nach Hause geht.

Veröffentlicht am 09.01.2023 im Dingolfinger Anzeiger
Von Christian Däullary
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